als
Vorklärung in der systemischen Therapie
von Heribert Döring-Meijer
zur Arbeits-Hypothesenbildung, im Vorfeld von Systemaufstellungen, bei systemischer
Beratung und in der Supervision
1. Einführung
In der Arbeit mit Genogrammen, dem Fingerabdruck eines Gesamtsystems, wird eine
Verbindung von Daten und inneren Bildern hergestellt. Ein Genogramm ist ein
Familienstammbaum, durch den der Klient / das System sowohl in seiner historischen
Dimension als auch in seinem gegenwärtigen Familiensystem und soziokulturellen
Rahmen erfaßt und wahrgenommen wird.
Diese Möglichkeit einen Menschen, ein System in seiner Ganzheit zu erfassen
stammt in seinen Grundzügen von Murray Bowen, USA, und wird seit ca. 25
Jahren vor allem in der Familientherapie eingesetzt. Auch als Vorklärung
bei Systemaufstellungen, in systemisch orientierten Beratungen und Supervisionen
hat das Genogramm zwischenzeitlich seinen festen Platz. Es geht im Besonderen
auch darum vergessene, ausgegrenzte und nicht in die Sicht kommende Systemmitglieder
durch das vorherige Genogramm erst einmal sichtbar werden zu lassen. Zusätzlich
ist hier für den Aufstellungsleiter von Bedeutung wer wird aufgestellt
und wer wird auch / oder bei der Aufstellung vergessen.
In der Supervisionsliteratur ist die Genogrammarbeit noch wenig zu finden, eventuell
liegt es daran, dass es ein schnelles und übersichtliches Verfahren ist,
das in einigen wenigen Sitzungen Sichtweisen eröffnet bzw. eröffnen
kann, die bis in die frühe Kindheit zurückgehen (ein Bereich der traditionellerweise
häufig noch der Psychoanalyse vorbehalten bleibt).
Ein Genogramm ist eine übersichtliche graphische Darstellung eines Systemgefüges
- in der Regel über mindestens die letzten drei Generationen (bis Großeltern).
Durch Abfragen des aktuellen Kontextes wird der Fragende in die Lage versetzt,
das Eingebundensein seines Gegenübers und die unmittelbaren Mitglieder
des Familiensystems einzuschätzen Kontextverständnis und ein bis zwei
Arbeitshypothesen) und die Schicksale, Krankheiten, Stärken, Schwächen,
Bindungen, Verstrickungen, Besonderheiten, Verletzlichkeiten etc. der Familie
/ des Einzelnen (Klienten / Patienten / Supervisanden) bezogen auf das Gesamtsystem
besser kennen zu lernen und zu verstehen.
Es werden alle systemrelevanten Informationen gesammelt. "Ganz systematisch
wird die Verbindung zwischen Ereignissen und Beziehungen in Lebensgeschichten
einerseits und Mustern von Gesundheit und Krankheit andererseits verdeutlicht".
(Goldrick, 1990)
"Sämtliche emotionale Erfahrungen, also auch jene, die Menschen in
gestörten Beziehungen und unbewältigten Konflikten machen, werden
unbewußt mittels mannigfacher intrafamiliärer Übertragungsprozesse
an die jeweilige Kindergeneration weitergegeben, so daß sich die Beziehungs-
und Konfliktkonstellationen von Generation zu Generation wiederholen, jedoch
jeweils in eskalierter Form, bis hin zu dem Punkt, wo sie nicht länger
verleugnet werden können, wo sie sich gewissermaßen über das
Symptom Bahn brechen und so einer Be- und Verarbeitung zugeführt werden."
(Roedel, Praxis der Genogrammarbeit, 1990)
Das Genogramm ermöglicht sehr rasch einen tiefen Einblick in die Geschichte
und das Wesen der Klienten / Supervisanden. "Genogramme bieten oft einen
fast direkten Zugang zu komplexem, emotional besetztem Familienmaterial".
(Goldrick, Genogramme. 1990)
Deshalb ist die Vorbereitungsphase der Arbeit wichtig und entscheidend. Eine
Vertrauensbasis muß da sein und die Supervisanden/Klienten müssen
bereit sein, viel von sich zu zeigen. Dabei ist die klare Struktur des Verfahrens
eine große Hilfe.
"Das
neutrale sachliche Sammeln von Informationen führt zum ebenso sachlichen
Bereitstellen von Informationen. Auch zurückhaltende Menschen, die für
direkte persönliche Fragen unzugänglich sind, sind oft bereit, innerhalb
eines vorstrukturierten Rahmens über ihre Familie Auskunft zu geben".
(Goldrick, Genogramme..., 1990)
"Anders als bei einer familientherapeutischen Situation, in der oft mehrere
Familienmitglieder anwesend sind, die dadurch verschiedene Perspektiven gleichzeitig
anbieten, kommt in die Supervision ein einzelnes Mitglied einer Familie oder
bei Gruppen lauter einzelne Elemente aus verschiedenen Familien. Ausnahmen gibt
es nur bei Familienbetrieben. Die Supervisandin kommt nicht mit einer Familienproblematik
an, sondern meist mit einer Krisensituation am Arbeitsplatz". Aus
der SV-Abschlußarbeit von M. Caselli an der ev. FHS Freiburg, 1992)
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